Andre Rotzetter, Grossrat des Kantons Aargau

Neue Pflegefinanzierung

Wer zahlt befiehlt

Dieses geflügelte Wort hat seit der Einführung am 01.01.2011 der neuen Pflegefinanzierung auch seine Gültigkeit in der stationären Langzeitpflege. Die öffentliche Hand zahlt seither jährlich 46 Mio. an die Pflegekosten. Sobald solche Beträge der öffentlichen Hand ins Spiel kommen, kommen die Empfänger des Geldes automatisch in den Radar der Politik. Ein kleiner Zeitungsartikel über einen Vorfall in einem Pflegeheim genügt, und im Grossen Rat werden Motionen und Interpretationen eingereicht. Die Interventionen der Grossräte erhöhen den Druck auf die Behörden. Die Behörden wiederum werden mit Regulierungen versuchen, den „Misstand" zu beheben. Da alle Geldempfänger gleich behandelt werden müssen, gilt dann die Regelung eben für alle. Ein schönes Beispiel für diesen Mechanismus ist das gut gemeinte Reglement über die bauliche und betriebliche Infrastruktur in Pflegeheimen. Auf 15 Seiten werden minimale bauliche und betriebliche Anforderungen definiert. Dass es auch anders geht zeigt der Kanton Zürich. Auf einer ½ Seite definiert er die minimalen Anforderungen und unterscheidet sich im Wesendlichen dadurch, dass die Normen wesentlich tiefer liegen. Als Beispiel dient die minimale Grösse eines Einzelzimmers. Im Aargau sind es 16m2 und ein integrierter, behindertengerechter Nassraum mit 4m2 ist zwingend. Im Kanton Zürich sind es 14m2 und ein Nassraum ist nicht vorgeschrieben. Selbstverständlich würde ich bei einem Neubau die Norm des Kt. Aargau freiwillig einhalten. Als Empfehlung sind diese Normen wertvoll. Es führt aber dazu, dass gerade ältere, günstige Häuser für viel Geld saniert werden oder ihren Betrieb verlegen oder schliessen müssen. Zudem können keine neuen, kleinen Pflegegruppen in normalen Wohnungen ihren Betrieb aufnehmen. Im Kanton Zürich ist dies immer noch möglich.
Mit der Übernahme der von der Krankenkasse nicht übernommenen Pflegekosten wollte die Politik Menschen in den Pflegeheimen finanziell entlasten. Über das neue Pflegegesetz und die Pflegeverordnung will der Kt. Aargau sicherstellen, dass das Geld tatsächlich wie geplant bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt. Zudem verlangt der Kanton auch als Gegenleistung einen Qualitäts- und Leistungsnachweis. Über die Pflegeverordnung wird zum Teil definiert, auf welche Art und Weise die Leistungen oder die Qualität zu erbringen ist. Als Beispiel ist die Auflage an die Trägerschaften, dass die Leitung einer Pflegeinstitution ein Heimleitungsdiplom hat oder eine adäquate Ausbildung absolviert haben muss. Die Erfahrung in den letzten Jahren zeigt, dass weder Heimleiterdiplome massive Fehler in der Leitung eines Pflegeheims verhindern, noch dass Fehlen eines Heimleiterdiploms automatisch zu einer unfähigen Heimleitung führt. Das Definieren, wie etwas gemacht werden muss, führt zu Formalismus und erzielt das Gegenteil von dem, was die Politik einfordert und wir als Sparte „Langzeitpflege" auch von unseren Mitgliedern erwarten: Eine qualitativ gute und menschenwürdige Pflege mit guten Infrastukturen, die zudem auch kostengünstig ist.

Wer die Politik im Grossen Rat des Kantons Aargau verfolgt hat, hat sicher realisiert, dass die VAKA zu diesen oben erwähnten Themen nicht untätig gewesen ist. Diesen Weg wollen wir 2014 weitergehen und der Überregulierung im Gesundheitswesen entgegenwirken.

Und trotzdem gilt: Wer zahlt befiehlt. Die Zeiten sind endgültig vorbei, in dem die Institutionen ein direktes Kun-denverhältnis hatten. Unsere Rechnungen gehen heute nicht mehr alleine an die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern die Rechnungen werden zusätzlich gesplittet auf die Krankenkassen und an die Clearingstelle als Vertreterin der öffentlichen Hand. Wir müssen die neue Situation anerkennen. Krankenkasse und öffentliche Hand unterstehen der Aufsicht der Politik. Es gilt unser Verhalten so auszurichten, dass wir die erwarteten Leistungen sichtbar für die Öffentlichkeit erbringen. Zudem müssen wir als Verband Transparenz und Vergleichbarkeit der Alters- und Pflegeheime schaffen. Dies hilft nicht nur eine bessere Datenbasis für die Verhandlungen mit dem Kanton zu schaffen, sondern nimmt grundsätzlich Druck weg auf die Institutionen. Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen Vertrauen. Und wem man vertraut und Kompetenz zuspricht, dem wird weniger im Detail reingeredet.